Tag 6: Oberlauf Vindelälven - Vindelkroken - Dalavardo
Gegen 8 Uhr schultere ich den Rucksack. Das Barometer ist weiter gestiegen, ein Wetterumschwung unwahrscheinlich. Ein strahlend
schöner Tag liegt vor mir. In der Nacht gab es einen kleinen Schauer, doch solche lokalen Regeneinlagen sind selbst bei schönem
Großwetter nicht ungewöhnlich.
Das Vindeldalen versteckt sich unter einem dicken Nebelbausch. Weiße Flocken lösen sich, steigen in das Himmelsblau. Wenig später
verlasse ich das offene Fjäll und erreiche die Waldgrenze. Das Vorwärtskommen wird durch umgestürzte Bäume und sumpfige Abschnitte
erschwert. Dann tauchen zwischen den Birken die ersten Hütten der Samensiedlung Vindelkroken auf. Es gibt sogar einen richtigen Fahrweg
durch das winzige Dorf. Die bunten Holzhäuser liegen verlassen da. Auf einer Veranda mache ich Pause und genieße die Aussicht von einer
gemütlichen selbst gezimmerten Holzbank aus.
Kräftige Sonnestrahlen lösen das Nebelmeer nach und nach auf. Bis
weit ins Vindeldalen sehe ich hinein und kann erahnen wo die Route
der nächsten beiden Tage verläuft. Bei Vindelkroken überspannt eine
große Stahlbrücke den Fluss. Von hier zweigt ein kleiner Pfad zum
norwegischen See Virvatnet ab, den ich vor einigen Jahren bei einer
Wanderung durch das Saltfjellet passierte. Doch dieses Mal bleibe ich
auf der schwedischen Seite.
An der Brücke rätsle ich über den Weiterweg. Zu den verstreut
liegenden Hütten führen zahlreiche, sich kreuzende Pfade. Intuitiv
gehe ich Richtung Westen und liege richtig. Wenig später befinde ich
mich im offenen Terrain oberhalb sumpfiger Moorgebiete. Der Weg
wird breiter. Den Spuren nach zu schließen, nutzt ihn die samische
Bevölkerung mit ihren geländegängigen Trikes.
Auf warme 26 Grad klettert das Thermometer im Tagesverlauf. Mit
dem schweren Gepäck komme ich gehörig ins Schwitzen. Alle 30
Minuten lege ich eine Pause ein. Schöpfe Wasser bei jeder sich
bietenden Gelegenheit. Im Süden schießen hellgraue Wolkenpilze in
den Himmel. Es sieht nach Gewitter aus. Doch dann lösen sich die
Türme wieder auf.
Am späten Nachmittag erreiche ich beiden Hütten von Dalavardo. Beide stehen dem Besucher offen und werden nicht von einem Hüttenwart
betreut. Eigentlich ist es viel zu schön um in einem geschlossenem Raum zu übernachten. Doch zum Weiterzulaufen bin ich zu müde. Und
im Flusstal könnte die Suche nach einer geeigneten Zeltstelle problematisch werden. Also beziehe ich in der größeren Hütte mein Quartier.
So gemütlich wie in den norwegischen Unterkünften des DNT geht es zwar nicht zu, doch für eine Nacht ist es durchaus akzeptabel.
Im nahen Fluss, der inzwischen mächtig an Breite gewonnen hat, plansche ich vergnügt herum, lasse mich auf einem großen Felsen von der
Sonne trocknen und genieße den Moment in vollen Zügen. So schön kann das Leben sein!
Am Abend blättere ich neugierig in den alten Hüttenbüchern herum, die ich im Schrank gefunden habe. Die Eintragungen reichen bis in die
frühen 80er Jahre zurück. Hätte ich wohl damals schon geahnt, eines Tages vom Lapplandfieber befallen zu werden?