Tag 2: Vuoggatjalme - Koie am Ruonekjahka
Das gleichmäßige Rauschen des Ruonekjahka fließt durch das geöffnete Fenster der kleinen Koie. Die Hütte hat sich in der Sonne
aufgeheizt. Es ist warm in dem kleinen Aufenthaltsraum. Drei mal Drei Meter. Die metallene Schwingtüre am Eingang schließt automatisch.
Die gleiche Konstruktion wie bei der 20 km entfernten Guijaurestugan. Dort war ich Ende August vor zwei Jahren. Ein Wetterumschwung
hatte mich festgehalten. Es schneite und war bitterkalt. Heute Abend aber stehe ich mit T-Shirt am Fenster. Bleibe ich alleine? Der Stille
wegen wäre es schön. Das Bad im Fluss war angenehm. Das Wasser überraschend warm. Ich bin hier und doch … beinahe wäre zu Beginn
gleich einiges schief gelaufen.
Die Gaskartusche für meinen Kocher wollte ich im Sportgeschäft im Glashuset kaufen. Um 9 Uhr 30 bin ich dort. Um 10 Uhr fährt mein Bus,
vom nahen Busbahnhof Richtung Lulea. Mit Schrecken stelle ich fest, dass das Geschäft erst um 10 Uhr öffnet. Zu spät! Planlos laufe ich
durch die Straßen.
Da, endlich entdecke ich ein Fachgeschäft, wo ich den notwenigen Brennstoff erhalte. Jetzt aber schnell zur Busstation. Fünf vor zehn steige
ich in den modernen Bus der Gesellschaft Silverexpressen. Aufatmen! Es geht den Fjord entlang nach Fauske (hier gibt es ein Sportgeschäft
im Zentrum) und weiter nach Rognan. Leider hat der Silverexpressen 2013 den Betrieb eingestellt. Nun kann man nur noch per Zug und
Autostop bis zum Ausgangspunkt hinter der norwegisch-schwedischen Grenze gelangen.
Das Wetter steht auf der Kippe: Regen und Sonne wechseln sich ab, Richtung
Bodø zum Meer hinaus ist der Himmel pechschwarz. Pause am Saltdalturistcenter.
An der Tankstelle kann man Snacks und viele Süßigkeiten kaufen. Ungeeignet zum
Proviantnachfassen. Es geht weiter über die Grenze nach Schweden. Die
Spannung steigt, ich nähere mich meinem Ausgangspunkt. „Just a few minutes for
the young man.“, nuschelt der Busfahrer durch das Mikrofon. Danke für das
Kompliment. Der Fahrer kennt den Einstieg. Vor zwei Tagen sei hier eine
Schweizerin ausgestiegen, meint er. Die wollte in sechs Tagen nach Hemavan. Ich
schaue ungläubig. Immerhin kalkuliere ich 10 Tage - ohne wetterbedingte Pausen.
Ob er den Weg kenne, frage ich. Er lacht. Seine Goldzähne blinken. „Ich wüsste
keine Grund, weshalb ich mir das antun sollte.“, entgegnet er kopfschüttelnd. „Ich
kenne 1000 Gründe.“, gebe ich zur Antwort. Er lacht wieder, wünscht mir eine gute
Tour und tuckert mit seinem Bus auf der leeren Straße durch die karge
Fjälllandschaft Richtung Süden.
Am kleinen Parkplatz schultere ich den Rucksack. Wahnsinn! Das Gewicht lastet
heftig auf den Schultern. Notfalls entledige ich mich meiner 400 g schweren
Reiseliteratur. Ich möchte gerade losgehen, da tritt ein blondes Mädchen aus dem
Wald. Wir wechseln ein paar Worte. Sie war nur ein wenig in der Gegend herumgelaufen, erzählt sie und braust wenig später auf ihrem
Motorrad davon.
Wenig später tauche ich in den üppigen Birkenwald ein. Ein paar versprengte Kiefern setzen Akzente. Im sanften Auf und Ab führt der
markierte Pfad direkt am Savajaure entlang. Kurze Pause nach 30 Minuten. Nicht zu schnell beginnen. Erst allmählich stelle ich mich auf die
neue Atmosphäre ein. Der Alltag haftet noch an meinen Gedanken. Die Straße, ein Stück Zivilisation, bleibt auf der anderen Seeseite noch
eine Weile in Sicht- und Hörweite. Dann biege ich in das Tal des Ruonekjahka ein. Es wird still. Nur das Rauschen des Flusses umgibt mich.
Eine Stunde später beginnt es leicht zu nieseln. Rucksack absetzen, Jacke überziehen. Der Regen zieht vorüber und die Sonne strahlt vom
Himmel. Alles wieder ausziehen. Für warme Bekleidung ist es mit 22 Grad zu mild. Die Mücken halten sich zu meiner Freude zurück. Die
hohen Gipfel des Södre Fierras hüllen sich in graue Wolken. Dann taucht die braune Holzkoie am Ruonekjahka vor mir auf.