Tag 1: Bodø
Endlich bin ich in der kleinen Stadt am nördlichen Polarkreis. Das Zimmer in der
Opsahl Gjestegard ist schlicht, doch völlig ausreichend für eine Nacht. Der Blick
aus dem Fenster lässt die nahe Wildnis nur erahnen. Weiße Holzhäuser, die
einander gleichen. Dahinter ein hoher Betonklotz, das Hospital. Und natürlich die
norwegische Flagge vor der Pension. Wolkenfetzen hängen grauschwarz über
der Stadt. Der Horizont im Norden bleibt von der langsam schwindenden
Mitternachtssonne aber noch lange hell.
Der berufliche Stress der vergangenen Tage hängt mir nach. Alles musste noch
erledigt sein. Das Wochenende vorher nur Arbeit bis in die Nachstunden. Kaum
Zeit sich in die Tour hineinzufühlen. Dann Gedanken, die Reise aufzuschieben.
Nie und nimmer! Packen auf den letzten Drücker am Vortag. Die Routine vielen
Trekkingtouren hilft. Schnell ins Auto, um die S-Bahn rechtszeitig zu erreichen.
Ich bin rechtzeitig am Flughafen in München. Norwegische Gesprächsfetzen in
der Wartehalle.
Dann endlich im Flugzeug. Es geht Richtung Norden. Eine dichte Wolkendecke
bis Oslo. Umsteigen nach Bodø. Da sitzt Anna neben mir, braungebrannt, mit
langem blondem Haar. Sie kommt gerade aus Spanien. Sie erzählt und erzählt.
Von Sangria, Bandscheibenvorfall, ihrem Wohnwagen bei Saltstraumen, von
Bodø. Dabei fummelt sie nervös mit dem Sitzgurt. Die Unterhaltung strengt an.
Ich bin auf Stille ausgerichtet. Ich könne die Nacht bei ihr verbringen, meint sie.
Norwegische Gastfreundlichkeit. Ich gehe ein wenig auf Distanz und lehne das
Angebot freundlich ab. Ihre Schwester holt sie vom kleinen Flughafen in Bodø ab
und nimmt mich mit zur Pension. Sie ist begeistert als ich ihr sage, ich hätte das
Saltfjell schon zweimal durchwandert. Auch Anne strahlt. Sie kennt das Gebiet
ebenfalls.
Endlich schließt sich die Tür meines Zimmers. Alleine. Doch müde und etwas
erschöpft. Zweifel, ob ich den Anstrengungen der Wanderung gewachsen sein
werde. Aber auch gespannte Vorfreude auf eine Wiederholung der Eindrücke
vergangener Touren in Lappland, die doch keine Wiederholung sein wird. Noch
bin ich zu aufgedreht von der Anreise um sofort ins Bett zu gehen und schalte den
Fernseher ein. Eigentlich interessiert mich nur der Wetterbericht. Es soll schön
werden. Ein paar Schauer, viel Sonne, um die 20 Grad. Ideales Wanderwetter.
Morgen geht es los!