Tag 13 und 14: Syterstugan - Viterskalet
Deutlich kühlere Temperaturen und ein bedeckter Himmel deuten heute Morgen auf einen bevorstehenden Wetterumschwung hin. Zum
ersten Mal schlüpfe ich für die Wanderung in lange Kleidung. Die Gipfelregion des Sytertoppen ist mit dichten Wolken überzogen. Die
Überschreitung entlang des Gletschers muss bei schönem Wetter grandios sein, doch angesichts der regenschweren Wolkenfelder ziehe ich
die Route im Tal vor.
Stetig steigt der Pfad zu einer spärlich bewachsenen Tundrahochebene hinauf.
Eine herbe doch unglaublich schöne Kulisse präsentiert sich hier. Ein Bach
inmitten üppiger Wiesen wird links und rechts von den felsigen Abhängen des
nördlichen und südlichen Sytertoppen flankiert. Der Weg führt Mitten durch
dieses von eiszeitlichen Gletschern geformte Trogtal. Hier oben bläst mir ein
kalter und ungemütlicher Wind entgegen, der durch die Verengung des Tals fast
schon Sturmstärke erreicht.
Gegenüber einer Rentierwächterhütte steht eine kleine Koie, die in der Karte
nicht eingezeichnet ist. Sie bietet dem müden Wanderer bei schlechtem Wetter
einen guten Unterschlupf. Ich entschließe mich aber, da noch keine
unmittelbare Regengefahr droht, zum Weitermarsch. Die von oben so scheinbar
wunderbar zum Zelten geeigneten Wiesen im unteren Talabschnitt, erweisen
sich bei meiner Ankunft als sumpfig und uneben. Erst an der Abzweigung zum
Sytertoppen finde ich eine ideale Stelle auf einer Anhöhe am Fluss. Der Wind
treibt in Böen dunkle Regenwolken das Tal hinauf und drängt mich zu einem
raschen Zeltaufbau. Kaum steht meine bescheidene Behausung, fallen schon
die ersten schweren Tropfen.
Rasch noch die Matte und den Schlafsack ins Zelt. Ich schlüpfe hinterher. Sekunden später öffnen sich die Himmelsschleusen und ein
heftiger Regenschauer trommelt auf mein Zeltdach.
Entspannt liege ich im warmen Schlafsack und halte ein ausgiebiges Nickerchen. Einer Regenpause nutze ich zu einer Katzenwäsche und
erkunde ein wenig die Umgebung. Vermutlich campieren an dieser Stelle des Öfteren größere Gruppen. Auffällig sind die im Heidekraut
unappetitlich herumliegenden Klopapierrollen. Auch mit der Beseitigung sonstiger natürlicher Hinterlassenschaften hat man sich wenig Mühe
gegeben. Kein Ort, an dem man lange Verweilen möchte.
Am Nachmittag fällt das Barometer weiter, der Wind nimmt an Stärke zu. Mein Zelt hält den Sturmböen tadellos stand. Bis auf einen kurzen
Abendspaziergang bleibe ich in meinen vier Wänden, höre Musik, lese, döse vor mich hin, lausche dem Regen.
Am nächsten Morgen fällt die Entscheidung zugunsten eines Ruhetags leicht. Ein Regenschauer jagt den nächsten. Die trockenen Perioden
verkürzen sich von Mal zu Mal. Ab dem späten Vormittag Dauerregen. Plötzlich vernehme ich verzerrte Stimmen und luge neugierig aus dem
Zelt. Zwei Dutzend Mann in grün-gefleckter Tarnkleidung marschieren mit schwerem Gepäck unbeirrt hinauf in Richtung des
wolkenverhangenen Sytertoppen. Da möchte ich nicht tauschen, denke ich, und krieche in den warmen Schlafsack zurück.
Bei einem Routineblick nach draußen traue ich meinen Augen kaum. Nur kanpp einen Steinwurf entfernt erhebt sich eine Ansammlung
wigwamähnlicher Zelte. Eine handvoll Kids läuft versprengt in der Landschaft umher. Meine Begeisterung ob der neuen Nachbarn hält sich in
Grenzen. Wenigstens aber möchte ich mich zu Erkennen geben. Von einem etwa 13 Jahre alten Jungen erfahre ich, dass sich hier eine
Schulklasse aus dem schwedischen Umea auf Klassenfahrt befindet. Einige Kinder kommen neugierig hinzu. Ein blondes pickliges Mädchen
in deutlich pubertärer Phase kichert unkoordiniert, singt den Refrain eines englischen Schlagers. Andere hocken mit Klopapierrollen unterm
Arm im Heidekraut. Irgendwie fühle ich mich ziemlich fehl am Platze. Hoffentlich wird das Wetter morgen besser. Meine Bitte scheint erhört zu
werden. Am Nachmittag schnellt das Barometer wunschgemäß in die Höhe. Gegen Abend legt sich der Sturm und die letzten Regenschauer
klingen ab.